Simon Ehammer hat sich an der U23-Leichtathletik-EM in Tallinn die Goldmedaille im Weitsprung gesichert. Beim fünften Versuch sprang der 21-jährige Appenzeller 8,10 m weit, nachdem er bereits im zweiten Versuch 7,92 m weit gesprungen war. Dies ist die drittbeste Weite in seiner Karriere. Der 21jährige Appenzeller war der einzige Athlet, der an diesem Tag die 8-Meter-Marke übersprang. Für Simon Ehammer ist es die dritte Medaille an internationalen Grossanlässen. 2018 gewann er an der U20-WM in Tampere Bronze, 2019 sicherte er sich an der U20-EM in Boras Gold.
Simon Ehammer, was bedeutet Dir diese Goldmedaille im Weitsprung?
Simon Ehammer: Diese Goldmedaille fühlt sich für mich wie eine Wiedergutmachung für die Enttäuschungen der vergangenen Wochen an. Ich kam mit der Erwartung nach Tallinn, acht Meter weit zu springen. Dass mich der letzte Sprung nun wieder so nahe an meine persönliche Bestleistung geführt hat, freut mich natürlich extrem. Dies ist die drittbeste Weite meiner Karriere. Dies alles führt sich sehr gut. Es ist ein überwältigendes Gefühl, dass ich als Mehrkämpfer diesen Weitsprung an der U23-EM gewinnen konnte. Dies gibt mir einen grossen Motivationsschub für den weiteren Saisonverlauf.
Bei den Elite-Europameisterschaften hast Du den Weltrekordhalter Kevin Mayer lange Zeit gefordert und lagst bis vor dem Nuller im Stabhochsprung auf Silbermedaillenkurs. Hast Du inzwischen eine Erklärung dafür?
Simon Ehammer: Wie das geschehen konnte, ist mir ein Rätsel geblieben. Aber solche Dinge passieren auch den Besten immer wieder. Den ganzen Winter begleitete mich eine gewisse Unsicherheit beim Stabspringen. Ich fühlte mich nie richtig wohl. Dann kam es noch zu diesem Trainingsunfall in Magglingen eines Kollegen, den ich nahe miterlebt habe. Das Visualisieren gelungener Sprünge und perfekter Bewegungsabläufe sowie Sporthypnose haben mir bei der Verarbeitung geholfen. Inzwischen habe ich dieses Thema abgehakt. Der Mehrkampf fordert den Athleten in jeder Disziplin immer wieder neu, insbesondere auf Weltklasse-Niveau. Da entscheiden manchmal Nuancen. Damit muss man als Athlet körperlich und mental umgehen können und dies macht letztlich auch den Reiz und die Herausforderung dieser Sportart aus.
Du hast es angesprochen, in den vergangenen Wochen hast Du in Deiner noch jungen Sportlerlaufbahn einige schwierige Momente erlebt. Nachdem Du in der Hallensaison 2021 einen Schweizer Rekord im Siebenkampf aufgestellt hattest, machten Dir in der Vorbereitung auf die Freiluftsaison Leistenbeschwerden zu schaffen, die in einem Forfait für den Mehrkampf an den Olympischen Spielen endeten. Wie hast Du diese Wochen erlebt?
Simon Ehammer: Rückblickend kam doch sehr viel zusammen in den vergangenen Wochen. Ich habe mich beim Auftreten der ersten Leistenbeschwerden nicht gross um meine Gesundheit gekümmert, und wollte die Leistung im Kopf erzwingen. Die Olympischen Spiele waren mein grosses Ziel. Als Athlet möchte ich die Leute immer wieder überraschen, dies treibt mich an. Letztlich musste ich dann aber einsehen, dass dies nicht geht. Dies hat im ersten Moment an meinem Selbstverständnis als Sportler gerüttelt. Aber zusammen mit den Trainern, meiner Familie und Freundin haben wir dann entschieden, dass ich an den Schweizer Meisterschaften in Langenthal im Mehrkampf nicht antreten werde. Letztlich war dies die richtige Entscheidung, wie meine Goldmedaille an den U23-Europameisterschaften zeigte.»
Welche Rolle hat in dieser Phase Dein Umfeld gespielt?
Simon Ehammer: Die Situation war vor allem für mich herausfordernd. Ich kannte eine solche Situation bis anhin noch nicht. Das gesamte Team um Karl und René Wyler hat aber super gearbeitet und mich in dieser Zeit jederzeit positiv unterstützt. Ich denke, dies hat wesentlich dazu beigetragen, dass ich stets optimistisch blieb und ich in Tallinn mein Potenzial dann wieder abrufen konnte, als es zählte.
An den Olympischen Spielen stehen die Athletinnen und Athleten stark im Rampenlicht der Öffentlichkeit, was auch für die Sponsoren ein wichtiger Aspekt ist. Wie sieht es da bei Dir aus?
Simon Ehammer: Obwohl der Mehrkampf als Königsdisziplin in der Leichtathletik gilt, steht die Sportart nicht so stark im Fokus der Öffentlichkeit wie andere Disziplinen, was auch die Sponsoring-Suche erschwert. Für mich als Athlet wäre es lukrativer, wenn ich mich beispielsweise auf den Weitsprung konzentrieren würde, nicht zuletzt wegen den Meeting-Teilnahmen. Aber mein Herz schlägt für den Mehrkampf, was solche Überlegungen derzeit überflüssig macht. Ich bin sehr dankbar, dass ich mit der UBS/Weltklasse Zürich, Puma und der Fritz-Gerber-Stiftung in den vergangenen Monaten neue Sponsoren gewinnen konnte. Hinzu kommt, dass mein langjähriger, treuer Partner, die Sepp Fässler AG in Appenzell, ihre Unterstützung verlängert hat, wofür ich mich herzlich bedanke. Noch offen ist das Hauptsponsoring, aber auch da bin ich zuversichtlich, dass wir in den nächsten Monaten einen passenden Partner finden werden. Hierfür braucht es neben den sportlichen Erfolgen ein wenig Geduld und Glück.
Mit Cédric Deillon und Andrin Huber wachsen im Appenzellerland bereits weitere vielversprechende Mehrkampf-Talente heran. Wie kommt es zu dieser Häufung von Talent im Appenzellerland?
Das ganze Team rund um den TV Teufen, Appenzellerland Sport und die Sportschule Appenzellerland leistet seit vielen Jahren hervorragende Arbeit. Das Appenzeller Sportschulmodell, das schulische und berufliche Ausbildung wie auch die Förderung des Spitzensports in idealer Weise kombiniert, ist geradezu vorbildlich für die Schweiz. In der Leichtathletik ist Teufen zum wichtigsten Stützpunkt in der Ostschweiz geworden. Hinzu kommt neben dem erfahrenen Trainer- und Betreuerteam auch eine ausgesprochen familiäre Atmosphäre, bei der die Athletin oder der Athlet im Mittelpunkt steht. All diese Faktoren führen dazu, dass letztlich Höchstleistungen möglich werden.
Du hast die Spitzensport-RS in Magglingen besucht. Wie sind Deine Erfahrungen damit?
Die Spitzensportförderung der Armee ermöglichte mir auch während der Rekrutenschule täglich zu trainieren. Ich konnte in Magglingen stark an meinen Wurfdisziplinen arbeiten, was sich im Kugelstossen bereits bezahlt gemacht hat. Letztlich war für mich aber auch der Austausch mit den anderen Athleten sehr wertvoll.